Institut für Psychologische Psychotherapie - Prof. Sachse / Bochum

Institut für Psychologische Psychotherapie

Klärungsorientierte Psychotherapie - Interaktionelle Verhaltenstherapie - Kognitive Verhaltenstherapie
Staatlich anerkanntes Ausbildungsinstitut - Leitung: Prof. Dr. Rainer Sachse

Ausbildungsziele

Ziel der Ausbildung sollte die Erlangung psychotherapeutischer Expertise sein.
Das Ziel einer Ausbildung in Psychotherapie sollte es sein, die Ausbildungsteilnehmer zu Experten in Psychotherapie zu machen. Das bedeutet, dass sie schnell auf relevantes gut organisiertes psychologisches und psychotherapeutisches Wissen in flexibler Weise zurückgreifen können. Sie müssen Informationen in Realzeit verarbeiten und auch in schwierigen Situationen angemessen und zielsicher handeln können.

Dazu müssen sie relevante Situationen schnell als solche erkennen, relevante Wissensaspekte gezielt aktivieren und schnelle Entscheidungen treffen. Sie müssen zu diesem Zweck in der Lage sein, Informationen parallel zu verarbeiten, Strategien parallel zu planen und mehrere Züge voraus zudenken.

Solange Therapeuten im Prozess, nicht in der Lage sind, relevantes Wissen zu aktivieren, langsamer sind als der Klient, relevante Informationen nicht erkennen und keine schnellen Entscheidungen treffen können, solange sind Therapeuten keine Experten.

Natürlich kann ein Ausbildungsteilnehmer dies zu Beginn der Ausbildung nicht, aber es sollte das Ziel der Ausbildung sein, dem Ausbildungsteilnehmer diese Kompetenzen zu vermitteln.

Wie sollte aber die Ausbildung gestaltet sein, damit sie diese Ziele erreichen kann, und durch welche Vorgehensweisen verfehlt sie diese Ziele?

Eine fundierte theoretische Ausbildung ist eine notwendige Voraussetzung zur Schaffung von Expertise, reicht jedoch nicht aus.
Durch sie wird Wissen, allerdings keine gut anwendbaren Schemata gebildet, die für die Bewältigung der therapeutischen Anforderungen notwendig sind. Um solche zu bilden, muss man trainieren.

Ein gutes Beispiel sind klinische Diagnosen: Man kann das DSM auswendig können und dennoch nicht in der Lage sein, eine valide klinische Diagnose zu stellen. Hierzu muss man nämlich in der Lage sein, die vom Klienten erhaltenen Informationen auf die spezifizierten Kriterien zu beziehen. Man muss z.B. wissen, in welchen konkreten Verhaltensweisen (und unterschiedlichen Verhaltensweisen!) sich ein "impressionistischer Sprechstil" bemerkbar macht. D.h., man muss konkrete Erfahrungen mit Klienten gemacht haben und vielfach reflektiert haben, wie sich abstrakt formulierte Kriterien konkret zeigen. Erst dann hat man so etwas wie eine Expertise; ansonsten hat man lediglich unanwendbares Wissen.

Mangelndes Training und mangelnde Anwendung von Wissen auf prototypische Situationen hat aber nicht nur zur Folge, dass man kein handlungsrelevantes Wissen aufbaut, sondern auch, dass theoretisches Wissen relativ schnell wieder vergessen wird. Die Kompetenz des Therapeuten hängt davon ab, wie viel des Wissens er relevant umsetzen kann, nicht davon, wie viel potentiell relevantes Wissen an ihm "vorbeigerauscht" ist.

Zur Bildung von Expertise ist Training notwendig.
Das zu Übende muss man immer wieder ausführen, aufzeichnen, reflektieren, Feedback erhalten, Schlussfolgerungen ziehen, erneut ausführen usw.; immer und immer wieder, bis die Schemata und Prozesse "eingeschliffen" sind. D.h., in der Ausbildung muss man Rollenspiele machen, diese Rollenspiele aufzeichnen, diese Aufzeichnungen analysieren, Feedback geben, reflektieren, erneutes Wissen speichern und dann erneut üben, erneut reflektieren usw. Viele Male, bis das Schema sitzt. Dazu ist es notwendig, redundant zu sein, Aspekte so lange zu üben, bis man sie beherrscht, nicht nur, bis man sie weiß. Und dann, wenn das Schema halbwegs etabliert ist, muss man es an Klienten üben: Man muss das Handeln in der Realität ausführen, aufzeichnen, reflektieren, Feedback erhalten, erneut ausführen usw., d.h. man muss ein bestimmtes therapeutisches Verhalten mehrmals unter Supervision üben. D.h. bei der Bildung von Expertise geht es nicht nur ums Tun, sondern ums reflektierte Tun.

Expertise bedeutet, über diejenigen Kompetenzen zu verfügen, die man bei der jeweiligen praktischen Tätigkeit auch wirklich benötigt.
Theorien können sehr nützlich sein, sie können aber auch irrelevanter Ballast sein. In der Regel wird in Ausbildungen wenig berücksichtigt, was ein Psychotherapeut in seinem Alltag wirklich an Kompetenzen benötigt. Macht es einen Therapeuten wirklich kompetent, wenn er z.B. in Geschichte der Psychotherapie unterrichtet wird? Ausbilder sollten wirklich dringend reflektieren, was Therapeuten wissen und können sollten und sollten nicht dem einfach folgen, was Juristen, Ärzte und Psychoanalytiker vorgeben (wir lassen uns schließlich auch nicht von Landwirten beraten!).

In diesem Zusammenhang ist auch zu hinterfragen, ob Personen, die im Wesentlichen Forscher sind und die die Praxis kaum kennen, als Ausbilder für Praxiskompetenzen überhaupt geeignet sind: was nützt der Rat von Dozenten, die in ihrem Leben noch keine drei lebenden Klienten gesehen haben und die nie erprobt haben, ob ihre Vorschläge in der Praxis funktionieren? Nichts gegen Forscher; die Frage ist nur: Sind Forscher wirklich gute Lehrer für ein Praxisfeld? Psychotherapieausbildung ist meines Erachtens kein akademisches Studium, sondern eine Berufsausbildung, die dazu führen soll, den Beruf auch kompetent ausüben zu können. Daher sollten die Inhalte und Standards sich nicht einfach an denen eines Studiums orientieren, das neben einer Berufsausbildung noch andere Ziele hat. Die Ausbildungsteilnehmer sollen keine Forschung machen und keine Konzepte entwickeln, und sie müssen auch nicht alle verfügbare Literatur kennen; jedoch sollten sie kompetent mit Klienten umgehen können.

Alle Ausbildungsteilnehmer sollten bestimmte, essentielle Basisfertigkeiten beherrschen.
Auch wenn es notwendig ist, dass sich Therapeuten für bestimmte Gebiete spezialisieren, sollten alle Therapeuten folgende Fertigkeiten erwerben:

  • Strategien der Beziehungsgestaltung
  • Strategien der komplementären und differentiellen Beziehungsgestaltung
  • Basisstrategien der Klärung affektiver Schemata
  • Methoden der kognitiven Umstrukturierung
  • Strategien der Problemaktualisierung und Ressourcenaktivierung
  • Strategien der Bewältigung und des Kompetenzaufbaus
Die Auswahl relevanter Fertigkeiten hängt sehr stark davon ab, was man als Ausbilder für ein Psychotherapiekonzept hat:
Glaubt man, Psychotherapie bestehe darin, DSM-Diagnosen zu machen, Therapien zu planen, Manuale durchzuführen, Manualtreue zu prüfen und schließlich den Therapieeffekt zu evaluieren, dann nimmt man an, dass Therapeuten im Grunde nur sehr wenige Kompetenzen benötigen. Betrachtet man jedoch Psychotherapie als komplexen interaktionellen Prozess, in dem gelegentlich auch Manuale verwendet werden, in dem aber komplexe Klienten-Probleme u.U. komplexere Lösungen verlangen und der prinzipiell zieloffen ist, dann folgt daraus, dass Therapeuten viel mehr Kompetenzen benötigen, und man ihnen somit auch viel mehr vermitteln muss. Dass komplexe Therapiemodelle in der Praxis sehr gut funktionieren und dass man Ausbildungsteilnehmern auch hoch komplexe Kompetenzen vermitteln kann, das zeigt der Ansatz von Grawe, den ich ebenfalls für sehr sinnvoll halte.

Um Expertise zu schaffen, müssen die Ausbildungsteilnehmer gelernte Ausbildungsinhalte integrieren, verbinden, organisieren können.
Natürlich kann Wissen Widersprüche enthalten, jedoch müssen diese bewusst repräsentiert und möglicherweise auf einer Meta-Ebene "aufgehoben" sein. Sind Elemente unverbunden, unstrukturiert oder widersprüchlich, dann ist es nicht möglich, Wissen schnell anzuwenden.

Das Problem entsteht bei vielen Ausbildungen schon dann, wenn man für verschiedene Störungen oder Therapieaspekte unterschiedliche Experten heranzieht: Mangelnde Abstimmung, fehlende Integration oder gar eklatante, nicht reflektierte Widersprüchlichkeit führen zur Verwirrung bei den Ausbildungsteilnehmern. Verschiedene Ansätze stehen völlig unverbunden nebeneinander stehen.

Nötig wäre es, mit den Ausbildungsteilnehmern eine Nachbereitung vorzunehmen, eine Reflexion, ein Vergleich mit anderen Ansätzen, die Bildung von Meta-Regeln, die Integration in schon vorhandene Wissensbestände. Didaktik bedeutet nicht, dass man Ausbildungsteilnehmer von einem Seminar ins andere schleift. Didaktik bedeutet, dass man Prinzipien der Psychologie auch auf die Ausbildung anwendet.

Die Ausbildungsteilnehmer können mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen werden: Denn um integrieren zu können, muss man bereits über gut organisierte Schemata verfügen, d.h., man muss schon Experte sein. Daher benötigt man Dozenten, Ausbilder, die von ihrer Qualifikation her dazu in der Lage sind.

Expertise bedeutet auch, dass man persönliche Hindernisse reflektiert.
Zum Aufbau von Expertise gehört auch, dass man Hindernisse, die die kompetente Ausübung des eigenen Berufes behindern könnten, reflektiert und, so weit wie möglich, beseitigt. Therapeuten sind keine Roboter, sie bringen eigene Schemata in die Therapie mit, die dazu führen können,
  • dass sie selbst bestimmte Konstruktionen von Klienten für plausibel und unhinterfragbar halten (sog. "Plausibilitätsfallen");
  • dass sie Klienten und ihre Ansichten unakzeptabel finden, und sie sich somit kaum auf die Klienten einstellen können;
  • dass sie durch den Klienten hilflos gemacht werden.
Expertise bedeutet somit, dass eine therapiezentrierte Selbsterfahrung integraler Bestandteil der Ausbildung sein sollte. Es gilt, die genannten Aspekte zu klären, zu repräsentieren, wenn möglich zu verändern, jedoch in jedem Fall im eigenen Handeln zu berücksichtigen.

Diese Art von Selbsterfahrung ist relevant: es geht weder um eine allgemeine Aufarbeitung der eigenen Biographie, noch um eine "Lehranalyse", noch ist ein Selbstmodifikationsprogramm "wie verhindere ich es, meinen Schlüssel zu verlieren" eine effektive Art der Selbsterfahrung; auch Organisationsanalyse ist keine Selbsterfahrung.


Mehr Informationen (PDF Datei):
Psychotherapie-Ausbildung aus der Sicht der Expertise-Forschung